Man könnte einwenden, mit der Open-Source Saatgut Lizenz sei es nicht möglich, die Züchtung neuer Sorten zu finanzieren. Pflanzenzüchtung sei nur über die Einnahmen aus Sortenschutz oder Patentrechten möglich. Dieses Argument lässt sich in mehrfacher Hinsicht entkräften. Historisch betrachtet wurde der größte Teil landwirtschaftlichen Saatguts ohne Zwangsabgaben entwickelt. In vielen Entwicklungsländern folgt die Pflanzenzüchtung bis heute diesem Geschäftsmodell kaum, und auch in Industrieländern gibt es Züchtungsprogramme privater Unternehmen, deren Finanzierung ohne geistige Eigentumsrechte auskommt.

Ein anderer Aspekt ist noch wichtiger. Gemeinnützige Sorten sind mehr als nur ein landwirtschaftliches Produktionsmittel. Sie erbringen darüber hinaus viele gesamtgesellschaftliche Leistungen, Leistungen die der private Saatgutsektor mit seinem Geschäftsmodell immer weniger liefern kann. Stichworte in diesem Zusammenhang sind: Erhaltung der Biodiversität, Pflege von Kulturlandschaften und ihren Ökosystemleistungen, Anpassung an den Klimawandel. So ist es nur folgerichtig, dass die Gesellschaft als Ganzes für die Kosten aufkommt, indem nicht nur die unmittelbaren Nutzer – Landwirte und Gärtner - in die Pflicht genommen werden, sondern auch Verarbeiter, Händler und Verbraucher, also letztlich die gesamte Wertschöpfungskette sich an den Kosten beteiligt. Darüber hinaus muss auch der Staat seinen Beitrag leisten. Pflanzenzüchtung zur Schaffung von Gemeingütern ist dann eine gemeinnützige Aktivität und von Saatgut-Erzeugung, die einen eindeutig wirtschaftlichen Charakter hat, klar zu unterscheiden.

Die ökologischen Getreide- und Gemüsezüchter in Europa gehen mehrheitlich diesen Weg. Sie finanzieren sich über „Sortenentwicklungsbeiträge“ die mit den Saatguterzeugern und Landwirten ausgehandelt werden, über einen „Züchtungs-Cent“ bei Handel und Verarbeitung, sowie über staatliche Zuschüsse und Stiftungsgelder. Die so generierten Gelder für Pflanzenzüchtung sind bisher zwar noch gering, aber sie steigen von Jahr zu Jahr. Mehr dazu im Diskussionspapier: „Wer zahlt für das Saatgut?"

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